DIE PRINZESSIN
MIT DEM GLIED
- Kritik -
"Es
gibt Momente da der Rabulist schweigen muss.
Das Stück der Schulkinder ist vollkommen analysewiderständig
und macht es damit zu absolut nachhaltiger Kunst." (Lucy Ernst Knollmeyer,
Kunsthistorikerin, 7.6.08)
Am Ende herrschte eine Stimmung wie bei einem Rockkonzert. Auf der Bühne tanzten Darsteller und Band, die Zuschauer klatschten, jubelten und forderten Zugaben. Das schrille und rasante Märchen-Musical "Die Prinzessin mit dem Glied" traf den Nerv der Besucher im Osnabrücker emma-theater. Der junge Regisseur Jens Poth brachte das Hörspiel nach dem Text von Bandmitglied Jo Granada intelligent auf die Bühne. Schauspieler und Musiker setzten es voller Spielfreude um. 7.06.08 dpa
Dieses Stück
verspricht von der ersten Sekunde an, die handelsüblichen Vorstellungen
von Märchen zu torpedieren.
Kein Wunder, denn die Osnabrücker Comedy-Punk-Band "Die angefahrenen
Schulkinder" zeichnen für Text und Musik
von "Die Prinzessin mit dem Glied" verantwortlich.
Jens Poth hat sich mit teils radikalen Regietheater-Inszenierungen bereits
einen guten Ruf in Osnabrück erarbeitet. . In dieser sympathisch chaotischen
Inszenierung wird nichts ernst genommen - und das erfreulich konsequent.
Friedrich Witte verzaubert in der Rolle des schwulen Jungfrauenretters als
exaltiertes Klischeebild. Ebenso Clemens Dönicke, der als Zofe barock-anmutig
daher tänzelt. Thomas Schneider begeistert als uriger König
.
Der zu recht stürmische Applaus bei der Uraufführung am Freitag
beweist, dass das stellenweise an Monty-Python-Filme erinnernde, mit schmuddligen
Dialogen provozierende Musical die Zuschauer zu begeistern weiß. 10.06.08,
Münstersche Zeitung
begeistertes Publikum...Jubel...in der Erotik des Spielwitzes badende Ohrfeigengesichter...Trash mit Herz, ON, 8.6.2008
Schräge
Farce
Musical "Die Prinzessin mit dem Glied" in Osnabrück gefeiert
VON HEIKO OSTENDORF
Osnabrück. In Stöckelschuhen, mit Krönchen auf den lockigen
Haaren, im glitzernden Kleid und mit Dreitagebart stolziert die Prinzessin
über die Bühne. Dieses Stück verspricht von der ersten Sekunde
an, die handelsüblichen Vorstellungen von Märchen zu torpedieren.
Kein Wunder, denn die Osnabrücker Comedy-Punk-Band "Die angefahrenen
Schulkinder" zeichnen für Text und Musik von "Die Prinzessin
mit dem Glied" im Emma-Theater verantwortlich.
Jens Poth, der sich mit teils radikalen Regietheater-Inszenierungen bereits
einen guten Ruf in der Hase-Stadt erarbeitet hat, fabriziert für das
vom Schulkinder-Gitarristen Jo Granada erstellte Werk gemeinsam mit Ausstatterin
Simone Wildt eine schräge und bunte Farce. Der Erzähler versucht
im motorisierten Rollstuhl, auf seinen Parkplatz zu fahren, und der König
kommt im dunkelroten, hermelinbesetzten Mantel mit Raucherhusten und Gehhilfe
angestolpert.Dem kettenrauchenden Monarchen geht es nicht gut und deshalb
muss schnell ein Gatte für die - sehr männliche - Prinzessin gefunden
werden. Ein Bote mit elektrischer Gitarre und starkem Sprachfehler bringt
die Nachricht auch zu einer Bauernfamilie, in der die drei Schwestern die
Feldarbeit verrichten und der zarte Bruder den Haushalt schmeißt. Um
seinen prügelnden Schwestern zu entkommen, reist er zum Wettkampf um
die Gunst der Prinzessin.
Doch er hat mit seinen Qualitäten (Tischchendecken, Zöpfeflechten)
keine Chance gegen die kräftigen
Konkurrenten. Als dann die bösen Minister die Prinzessin entführen
lassen, erfährt der Bauernsohn dank eines Orakel-Wellensittichs den Aufenthaltsort
der Holden und kann sie mit Hilfe seiner Schwestern retten. Beide verlieben
sich, und wenn sie nicht gestorben sind . . .
Es strotzt vor spöttischen Übertreibungen. Die Musiker haben Prinz-Eisenherz-Frisuren
und tragen mittelalterliche Kostüme. Auf den Weg zur Befreiung der Prinzessin
wird das Stahlbett mit dem Pompons schwingenden Retter vom Rollstuhl gezogen,
als ginge es zum Christopher-Street-Day. In dieser sympathisch chaotischen
Inszenierung wird nichts Ernst genommen - und das erfreulich konsequent.
Friedrich Witte verzaubert in der Rolle des schwulen Jungfrauenretters als
exaltiertes Klischeebild. Ebenso Clemens Dönicke, der als Zofe barock-anmutig
dahertänzelt. Thomas Schneider begeistert als unbedarft komischer König.
Die etwas flatterige Geschichte behält dank Erzähler Olaf Weißenberg
halbwegs einen roten Faden. Jo Granada beweist als Bote, Orakel-Wellensittich
und Entführer überzeugende Wandlungsfähigkeit, während
"Schulkinder"-Sänger Heaven als haarige Prinzessin beim Liebesduett
seine gesanglichen Stärken demonstriert.
Im Glitterregen hangelt sich das Liebespaar schließlich durch die jüngere
Liebesliedgeschichte von Howard Carpendale bis zu den Wildecker Herzbuben.
Der zu Recht stürmische Applaus bei der Uraufführung beweist, dass
das stellenweise an Monty-Python-Filme erinnernde, mit schmuddeligen Dialogen
provozierende Musical die Zuschauer zu begeistern weiß.
Schön
heimelig und vielleicht nur etwas zu warm war es im kleinen Emma-Theater,
als zu Beginn Charly und der Doc die ersten Töne anstimmten. Die Kulisse
irgendwo zwischen mittelalterlichen Kostümen, punkigen Farben und homosexuellen
Plüschfell fand sich dann auch in der Sprache und Musik wieder. So wurde
sowohl in Versen als auch in Fäkalsprache um sich geworfen.
Besonders gefallen konnte dabei der Erzähler Olaf Weißenberg (optimal
besetzt) oder auch Thomas Schneider als Minister, König und Hagerich.
Aber auch die Zofen und das Bauernsöhnchen haben ordentlich was auf die
Bretter gebracht. Kultstatus und jetzt schon meine absolute Lieblingsszene
ist sicherlich die Diskussion der drei Minister. Tränen habe ich gelacht!
Fast ebenso stark der Dialog zwischen Etienne und dem Wellensittich Jo Granada.
Musikalisch gefällt mir die Umsetzung im Stück besser als auf der
CD. Hierbei rockten der punkige Schluss des Pinkellieds und auch der neue
Song "Viva Amore" mitten ins Herz.
Sehr anrührend
und gefühlvoll auch das Duett von Heaven als Prinzessin mit ihrem Etienne.
Manchmal hätte es für meinen Geschmack noch einen I-Punkt mehr krachen
können: Zum Besipiel, wenn Jo "Be bob a Lula" leider nur anspielt,
die Pinkelschwestern aufs Publikum zugehen, aber nicht hinein... und warum
bindet ihr die Leute nicht bei der Polonaise oder bei "Viva Amore"
mehr mit ein? Alles in allem ein sehr schöner Abend und abschließend
noch ein großes Lob an Jens Poth für eine mehr als gelungene und
mutige Regiearbeit.
Wir kommen sicher im Herbst wieder und bringen dann ein paar Freunde mit.
Stefan Lambert,
Lübbecke, 7.6.08
...mitreißende Dynamik... Daniel Benedikt, NOZ, 9.6.08
Die
Osnabrücker Kultband "Die angefahrenen Schulkinder"
ist bekannt für ihre schräghumorigen Konzerte, bei denen sie auch
nicht vor derben Anzüglichkeiten zurück schreckt.
Jetzt haben die vier Herren ein "Märchen-Musical der besonderen
Art" konzipiert, das derzeit am Theater Osnabrück seine Erstaufführung
erlebt: "Die Prinzessin mit dem Glied". Textautor ist Gitarrist
und Sänger Jo Granada. Der löwenmähnige Sänger Heaven
gibt die Prinzessin, wobei er immer wieder in Kichertiraden ausbricht und
mit kratziger Stimme Liebeslieder gröhlt.
Auch sonst ist der Abend einfach witzig. Der Plot ist denkbar schlicht: Ein
von Bröckelhusten geplagter König (Thomas Schneider) will seine
Tochter verheiraten. Ein schwächliches Bauernsöhnchen (Friedrich
Witte) wirbt mit seinen wesentlich männlicheren Kontrahenten um die Gunst
der Prinzessin, doch beim Schwanzvergleich stellt sich heraus: Die Prinzessin
hat das längste Glied. Da sich das Bauernsöhnchen allerdings plötzlich
als schwul outet, steht dem Happy End nach bestandenen Abenteuern nichts mehr
im Weg.
Die Pervertierung des Märchenstoffs zieht sich durch das ganze Stück.
So fungiert der lächerliche Wellensittich Peterle (Jo Granada) als Orakel.
Und Sprecher Olaf Weißenberg muss die drei "fiesen Minister",
die ein honigsüßes Psychogespräch über das gerechte Teilen
einer einzigen Pommes führen, darauf aufmerksam machen, dass sie die
"bad guys" des Stücks sind und bitteschön nicht aus der
Rolle fallen sollen. Leider tauchen die skurrilen Minister im weiteren Verlauf
des Stücks nicht wieder auf.
Dafür hat Regisseur Jens Poth die Bühne wunderbar mit rosa Plüsch
und falschem Gold ausstaffieren lassen sowie die königliche Gehhilfe
im Leopardenlook aufgepeppt. Die Musik der "Schulkinder" ist eine
gelungene Persiflage auf Pop-Balladen, Rocknummern und Tanzmusik. Sämtliche
Klischees werden bedient, und so darf auch eine stilisierte Love-Parade nicht
fehlen. Nett ist, wie die Musiker an E-Piano und Schlagzeug in ihren Pseudo-Mittelalterkostümen
das Publikum mit einer verballhornten Fassung von "Horch, was kommt von
draußen rein" begrüßen. Und nett ist auch der ganze
Abend: ein einziger großer Scherz in "Schulkinder"-Manier.
Martina Binnig, Nord-West Zeitung - 10.6.08
Werden
DIE ANGEFAHRENEN SCHUKINDER jetzt seriös?
Oder zeigt sich das Osnabrücker Theater nur besonders experimentierfreudig?
Letzteres ist hinsichtlich des Märchenmusicals „Die Prinzessin
mit dem Glied“, das jetzt im emma-theater uraufgeführt wurde, wohl
richtig.
Während für die Texte Jo Granada zuständig war, schrieben die
SCHULKINDER in Gänze die Musik, Dr. Ignaz Ignatz übernahm die musikalische
Leitung und sorgte während der Aufführung gemeinsam mit Charlie
Granada für die passende musikalische Untermalung. Die Titelrolle wurde
mit niemand Geringerem als Heaven besetzt, nicht zu vergessen natürlich
acht Mitglieder des Osnabrücker Theater-Ensembles, die gemeinsam mit
den SCHULKINDERn unter der Regie von Jens Poth für einen absolut vergnüglichen
Abend sorgten.__
Die Geschichte ist schnell erzählt: Da gibt es einen alten König
mit Bröckelhusten (Thomas Schneider), der seine Tochter (Heaven) unter
die Haube bringen möchte und deshalb Boten (Jo Granada und Laurenz Leky)
aussendet. Dadurch erfährt auch das verweichlichte Bauernsöhnchen
Werner (Friedrich Witte), der unter der Knute seiner Schwestern Pia, Mia und
Isabel (Jennifer Breitrück, Sibille Helfenberger und Katharina Quast)
steht, von der Suche nach einem Gemahl für die Prinzessin und macht sich
auf den Weg zum Schloss...
Nun handelte es sich aber um ein Stück aus der Feder der ANGEFAHRENEN
SCHULKINDER und somit war klar, dass es etwas anarchischer zugehen würde,
als man dies gemeinhin aus dem Märchenland kennt. Entsprechend war die
musikalische Abteilung „Rock“ (Dr. Ignatz Ignaz) und „Roll“
(Charlie Granada) mit herzallerliebsten Prinz-Eisenherz-Frisuren und schicken,
figurbetonten Einteilern angetan, was allerdings noch von Heaven in seiner
Paraderolle als liebreizende Prinzessin getoppt wurde. Beim Make-Up wurde
nicht gespart und wer hat gesagt, dass blaue Fußball-Stulpen nicht zu
goldfarbenen Pumps passen? Da wollten natürlich auch die übrigen
Protagonisten nicht zurückstecken, so dass Simone Wildt für ein
extravagantes Bühnebild und sexy Kostüme gesorgt hat. Der letzte
Schrei dürfte der mir Leopardenplüsch und goldenem Glitter aufgemotzte
AOK-Chopper in manchen Rentnerkreisen werden (man beachte die Putten an den
Rückspiegeln), mit dem der Erzähler und königliche Wettkampf-Sprecher
(Olaf Weißenberg) unterwegs und für den eigens in der Mitte der
Bühne mit rosa Plüsch ein Parkplatz eingezeichnet war.
Die Dialoge und Songs zeigten sich nicht weniger schräg und in typischer
SCHULKINDER-Manier. Nach 26 Jahren Brachialhumor und mehr als 3000 Konzerten
kann man vermutlich nicht anders. Wer tiefschürfende Theaterarbeit erwartet
hatte, wurde wahrscheinlich gnadenlos enttäuscht, im fast ausverkauften
emma-theater schien das Publikum allerdings größtenteils zu wissen,
auf was es sich gefasst machen musste und zeigte sich bestens gelaunt. Zwei
Mädels kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus, allerdings war das
Geschehen auf der Bühne auch wirklich sehr skurril und lud zum Schmunzeln
ein. Heaven glänze einmal mehr mit faszinierenden Grimassen und unterhielt
schon, wenn man ihm nur beim Blättern in der Zeitschrift „Adel
heute“ zusah. Währenddessen gewann Jo als schwer schielender königlicher
Bote Peter Bäthge Isabels Herz oder brillierte als Orakel-Wellensittich,
der Bescheid wusste. Nicht zu vergessen, sein Auftritt als übelster Geselle
Ullmann aus der Pferdekutschenbranche.
Doch bis dahin hatte Werner noch einige Abenteuer und den Wettstreit mit einigen
anderen Freiern der Prinzessin zu bestehen. Waren da doch auch noch die fiesen
Minister, welche die Hochzeit verhindern wollten und deshalb des Königs
Tochter kidnappen ließen (der geniale Auftritt von Laurenz Leky, Thomas
Schneider und Clemens Dönicke erinnerte ein wenig an HELGE SCHNEIDER).
Natürlich konnte Werner bzw. Etienne (wie er sich nannte, nachdem er
beim Schwanzvergleich mit der Prinzessin festgestellt hatte, dass er wohl
schwul sein musste) schlussendlich das Herz der blaublütigen Thronfolgerin
gewinnen und Herzluftballons stiegen in die Luft, während ein Glitterregen
niederging und alle Darsteller zu einem herzerweichendem Medley auf die Stage
kamen. Es fanden sich Songs von MARIANNE ROSENBERG, WOLLE PETRY und den WILDECKER
HERZBUBEN genauso wieder wie der Merci-Werbetrailer und sorgten für ein
furioses Finale. Offensichtlich hatten die Zuschauer auch am vorausgegangenen
„Pinkellied“ der drei Schwestern, das ohne Zweifel von den SCHULKINDERn
stammte, den zur momentanen Fußball-EM passenden Gesängen beim
Wettkampf um die Gunst der Prinzessin, am „Tischlein-deck-Dich“-Lied
von Werner, dem Polonäse-Stück oder dem Schwanzvergleich-Song im
Fifties-Style Gefallen gefunden.
Ein Highlight war sicherlich auch die Mini-CSD-Parade mitsamt Glamour-Elektroroller
und angehängtem Bett und der flotte Liebeswalzer der Prinzessin und ihrem
Etienne. Nach langem Applaus wurde auf jeden Fall noch eine Zugabe gefordert
und die gab es dann auch mit einem erneuten „Viva Amore“, bevor
nach gut 90 Minuten der Vorhang fiel.__Wie gesagt, tiefschürfende Ernsthaftigkeit
darf man nicht erwarten, wenn DIE ANGEFAHRENEN SCHULKINDER mit von der Partie
sind. Eine gewisse Liebe zum zotigen Klamauk sollte man ebenfalls mitbringen,
denn im Grunde machen die SCHULKINDER auch im emma-theater nichts anderes
wie auch in ihren übrigen Bühnenprogrammen: Neben viel Musik gibt
es häufig sinnentleerte Texte, wilde Kostümierungen und abseitigen
Humor.
Dass das Ganze auch als Märchenmusical im Theater klappt, ist zweifelsohne
ein Verdienst des Theaterensembles, das die nötige Professionalität
mit ins Spiel brachte. So wird „Die Prinzessin mit dem Glied“
das Feuilleton eher nicht begeistern, Freunde des absurden Humors kommen dafür
voll auf ihre Kosten. Das Stück wird noch einige Male bis zum 05.07.2008
gezeigt und auch in der neuen Spielzeit wieder ins Programm aufgenommen. Die
Termine sind im Einzelnen unter auf der Homepage des Theaters Osnabrück
nachzulesen.
Ulriker Meyer-Potthoff, Terrorverlag 13.6.08
Es ist vollbracht! ,,Die Prinzessin mit dem Glied“ - Gefeierte Premiere
Das muss
man erst mal sacken lassen...
Nee, den Sack als Substantiv und als solchen wollen wir hier nicht strapazieren.
Interpretationen? Blödsinn.
Aber nachdem wir uns an dieser Stelle (war ja schon fast „Etiennes Cocktail“)
so verdammt bedingungslos für „Die Prinzessin mit dem Glied”
in die Kurve gelegt haben, fühlte man sich am Freitag im Kreis des begeisterten
Publikums durchaus vom Orakel-Wellensittich geküsst und genoss im emma-theater
den Jubel nach der Welturaufführung. Die eigentliche Sensation ist und
bleibt der süffisant-provokante Titel dieses Märchenmusicals der
besonderen Art.
Mit einer schier unglaublichen Energie – wahnsinnige Kostümwechsel
und unglaubliche Facetten geballt in der Erotik des Spielwitzes badender Ohrfeigengesichter
– wurde die Text-Vorlage (quasi mit 17 multipliziert) und veredelt.
In 94 Minuten (höchstens 8 bis 9 zu lang) gelang Jens Poth ein wahrer
Regiestreich, die goldige Bühne und Kostüme von Simone Wildt sind
sensationell.
Die Angefahrenen Schulkinder, die sich seit etwa der Zeit des Westfälischen
Friedens (zumindest fühlt sich das so an) mit einer sympathischen Sturheit
im rockenden Comedy-Kreis drehen und ihrer Zeit zuweilen doch voraus waren,
sind ein herzhaftes Stück Osnabrück. Die „Prinzessin“
wird ihr Publikum finden – ein Late-Night-Termin wäre eigentlich
ideal. Das schreit nach Interaktionen wie bei der „Rocky Horror Picture
Show“, einem überflüssigen Bestseller wie „Feuchtgebiete“
stellt man durch den grinsenden Hosenschlitz die Uhr ein, der Kasper in uns
allen feiert eine jecke Stunk-Stink-Sitzung. Die Polonaise mündet nach
dem „Coming out“-Befreiungsschlag – herrlich wie Friedrich
Witte als Bauernsöhnchen „Ich bin schwul“ (das hat was von
,,Tommy“, The Who) singt – geradezu als „Love Parade“.
Der Liebe werden im „Du und ich“-Finale allerbeste Chancen eingeräumt
– es geht kreuz und quer durch die Schlagersauce. Es ist echt beachtlich,
wie die vier „Schulkinder“ – Heaven als Prinzessin eine
zartbittere Wuchtbrumme, Autor Jo Granada nicht nur als fieser Geselle aus
der Pferdekutschenbranche ein Volltreffer – mit den acht Profi-Darstellern
harmonieren. Da stimmt einfach die Chemie. Bei Olaf Weißenberg (super!)
als königlicher Wettkampf-Sprecher Sieverink liefen selbst wirrste Erzählfäden
zusammen, Thomas Schneider ist als quarzender König mit Bröckelhusten
eine Wucht, Clemens Dönicke (Minister, Zofe etc.) bringt eine unglaubliche
Portion echten Punk ins Spiel, auch Katharina Quast, Laurenz Leky, Sibille
Helfenberger und Jennifer Breitrück sind toll.
Trash mit Herz!Wird das Märchen-Musical der Angefahrenen Schulkinder
seinen Weg gehen? Das wird sich zeigen – auf die Interaktion mit dem
Publikum kommt es an. Könnte das Stück auch in Pirmasens oder Itzehoe
bestehen? Regisseur Jens Poth und Bühnenbildnerin Simone Wildt haben
tolle Bilder gefunden. Auch Konstellationen wie die drei gemeinen Schwestern
oder die drei fiesen Minister (erklären an einer Pommes die Verstrickungen
der Welt) bleiben haften.
Der finale Song „Viva Amore“ bügelt mit einem „We are
the world“-Gefühl alle aufgetürmten Sexy-Rummel-Barrieren
glatt – okay, auch das kann man ironisch abfeiern. Aber man darf oder
kann bei diesem Stück auch völlig genervt sein und am Sinn des Unsinns
zweifeln – das gehört dazu. Friedrich Witte steht für die
positive Energie, mit der das Ensemble alle Tücken meistert. „Ich
zeige den Aufbruch eines gebeutelten Bauernsöhnchen in ein neues Leben“,
sagt Witte. Er spielt den ganzen Quatsch so ernsthaft, edel und würdig,
das daraus eine feine Komik erwächst. Das ist wirklich schön.
Werner Hülsmann. ON, 8.6.08
...ein Stück, das die Stadt nicht braucht... Simone Schnase, Stadtblatt, Osnabrück (danke Simone)
16.06.2008
- Ich fand die TExte sehr hintergründig. Unter der rüpelhaften Oberfläche
voll funkelnder Poesie und tiefgründigen Botschaften. Nur musikalisch
konnte das ganze leider nicht mit dem sprachlichen und intellektuellen Niveau
des Buches mithalten. Deshalb nur drei Sterne von mir.
Bildungsbürger
Geniestreich mit Kultfaktor
13.06.2008 - Meine Kumpels und ich haben uns schibbelig gelacht. Zu Weihnachten
tun wir uns das nochmal an. Dann dürfen die Mädels auch mit.
der Bielefelder
Banane mal zwei
11.06.2008 - Textlich primitiv und abstoßend.
Es kommt wohl nur noch auf den
Tabubruch an. Text auf Gossen-Niveau.
Gruß,
G.Herrmann
supershow der schulkinder
09.06.2008 - bravouröse Leistung des Ensembles - stehende Ovationen und
jubelnde Zuschauer. Mehr davon!
xobo
Osnabrück, 24. Oktober 2008 /
Von einer Tochter, die den Penisvergleich gewinnt: "Prinzessin mit dem Glied" neu auf der Bühne
Die angefahrenen
Schulkinder wagen sich auch in der Spielzeit 2008/2009 wieder auf die Bretter,
die die Welt bedeuten: Ihr Erwachsenen-Märchen ''Die Prinzessin mit dem
Glied'', mit dem sie in der vergangenen Spielzeit am Theater Osnabrück
erneut die etablierte Bühnenwelt verunsicherten, steht als eine der Wiederaufnahmen
auch auf dem Spielplan der neuen Saison. Schulkinder-Frontmann Heaven (Prinzessin)
empfiehlt es den Osnabrückern "wärmstens", sich die Bühnenfassung
ihres Musicals im emma-Theater anzusehen. Das Stück erzählt die
Geschichte eines bröckelhustenden Königs und seiner Tochter, die
beim Längenvergleich des männlichen Geschlechtsteils gewinnt.
Nach der Wiederaufnahmepremiere, die bereits begeistert gefeiert wurde, stehen
im emma-Theater noch drei weitere Aufführungen auf dem Programm (Termine
unten). Wer es nicht schafft, kann sich die Hörspiel-Fassung des Gru
… Pardon … Musicals besorgen. Dass die schräghumorigen Musikkomödianten
in dem Stück nicht vor derben Anzüglichkeiten zurückschrecken,
gehört sozusagen zum guten Ton: Schockieren, dabei längst nicht
nur unter der Gürtellinie, gehört zum Schulkinder-Konzept. In ihrem
Stück ziehen sie allen gängigen Vorstellungen von Märchen den
Teppich unter den Füßen weg – jedes gängige Klischee
wird ins Absurde geführt. Nach "Prinzessin mit dem Glied" lesen
sich die Gebrüder Grimm jedenfalls ganz anders.
Textautor ist Gitarrist und Sänger Jo Granada, der auch im Stück
dabei ist – und zwar als Wellensittich. Sänger Heaven (der Mann
mit den Haaren) gibt die Prinzessinnen-Spezialausgabe. Einfach klasse, wenn
er mit Stoppelbart und kratzigen Stimme Liebeslieder gröhlt. Der Plot
ist verhältnismäßig schlicht, was der Unterhaltsamkeit des
Abends jedoch nicht schadet: Der von Bröckelhusten geplagte König
(Thomas Schneider) will seine Tochter verheiraten. Ein schwächliches
Bauernsöhnchen (Friedrich Witte) wirbt mit wesentlich männlicheren
Kontrahenten um die Gunst der Prinzessin, doch beim Längenvergleich stellt
sich heraus, dass die Prinzessin das längste Glied hat. Allerdings fällt
es dem Bauernsöhnchen gar nicht schwer, sich auf die veränderte
Lage einzustellen und einen Happy steht nichts mehr im Wege.
Die Schulkinder karikieren in ihrem Stück konsequent viele gängige
Märchen-Klischees. Vom orakelnden Wellensittich (Jo Granada) bis zum
Monolog über gerechtes Teilen – es bleibt kaum eine Märchenvorlage,
die nicht durch den Kakao gezogen wird. Regie führte Jens Poth, die Bühne
ist passend mit rosa Plüsch und falschem Gold ausstaffiert. Auch die
Musik der "Schulkinder" persifliert – etwa Pop-Balladen, Rocknummern
und Tanzmusik. Sämtliche Klischees werden bedient, und so fehlt auch
eine stilisierte Love-Parade nicht.
Zu den angefahrenen Schulkindern gehören Charly Granada, Jo Granada,
Dr. Ignatz Ignaz und Heaven. Sie treten seit 1982 gemeinsam auf, wobei sie
gemeinsam musizieren, mit ätzenden Texten anecken, (Kurz-)Filme realisieren,
Theater- und Bühnenprojekte realisieren, als Schauspieler in TV- und
Bühnen-Produktionen auftreten, in weiteren Bandprojekten spielen und
immer viele lustige Späße treiben, die mit Steffi Graf und Onkel
Dittmann bis vor Gericht geführt haben. Wer sich einen Überblick
über die Schulkinder verschaffen will, steuert ihre Webseite an –
besonders die Kurzfilme sind köstlich.